Es existieren nicht viele Selbstbildnisse von Menzel, alles in allem sind es gut zwanzig: mehr als 15 davon Zeichnungen, eines in einer Gouache, zwei auf Gemälden und eine Lithographie, nicht eingerechnet Blätter vom Verein Rütli, Briefzeichnungen und Gelegenheitsskizzen. Anfang 1854 berichtete Friedrich Eggers im Deutschen Kunstblatt von einem Selbstbildnis, das er im Atelier des Künstlers auf dessen Arbeitsplatz gesehen hatte - es kann sich dabei nur um das vorliegende Blatt handeln. Nach den bisherigen Selbstbildnissen Menzels, die mit einem sehr akademisch anmutenden von 1834 beginnen, findet nun der Versuch statt, eine gewagte und ungewohnte Ansicht darzustellen. Direkt vor dem Zeichner auf dem Tisch lag der Spiegel, darin erschien eine extreme Untersicht auf das Gesicht. Kaum jemals konnte eine solche Situation wirklich entstehen, denn es war der klein gewachsene Menzel, der, stets aufschauend, niemals auf andere herabblickte.
Aufschauend findet man ihn auf dem kleinen Gemälde „Abendgesellschaft“ von 1846/47. Der Betrachter sieht Menzels Schädel in der Draufsicht, der große haarkranzumsäumte Kopf steht einsam vor dem weißen Oval des Tisches.
Text: Andreas Heese, in: Adolph Menzel. Radikal Real. hg. von Bernhard Maaz, München, 2008, S. 224, Kat. 205
uk