Kurt Schwitters arbeitete in Hannover, entfernt von dem dadaistischen Hauptzentrum Berlin und ist von Anbeginn mehr an den künstlerischen Problemen seiner Erfindungen interessiert als an der politisch intendierten Haltung von Berlin-Dada. Durch seine Nähe zum Sturm-Kreis um Herwarth Waiden wurde er von den meisten Dadaisten zunächst abgelehnt. 1919 begann Schwitters seine sogenannten Merz-Bilder als ästhetische Verwertung von verschiedenen Materialien und Fundstücken kontinuierlich zu produzieren. Sie sind geistiges Sinnbild einer durch Krieg zersprengten Welt, deren Splitter Schwitters neu ordnete. Der Name Merz entstand aus einer in eine Collage einbezogenen Anzeige der Commerzbank und war für Schwitters »die Zusammenfassung aller erdenklichen Materialien für künstlerische Zwecke und technisch die prinzipiell gleiche Wertung der einzelnen Materialien ... Der Künstler schafft durch Wahl, Verteilung und Entformung der Materialien. Das Entformen der Materialien kann schon erfolgen durch ihre Verteilung auf der Bildfläche« (Zweemann 1919, H. 1, S. 18). Die Merzzeichnungen, Collagen aus verschieden farbigen Papier-, Stoff- und Kartonfundstücken, wurden von Schwitters seit 1919 unter dem Kürzel Mz durchnumeriert. Die Nummer 272 mit dem Titel »Der Harz« ist ein prägnantes Beispiel dieser Reihe. Die scheinbar wahllose Anordnung der bei Spaziergängen durch Hannover gefundenen Materialien ergibt bei genauerer Betrachtung eine streng organisierte abstrakte Komposition. Schwitters gestaltete nicht nur die verschiedenen Teile durch geschnittene Formen, die er zueinander in eine spannungsreiche Beziehung setzt, sondern ordnet auch die Farben zu einem harmonischen Klanggebilde.
Text: Eugen Blume: Das Berliner Kupferstichkabinett. Ein Handbuch zur Sammlung, hg. von Alexander Dückers, 2. Auflage, Berlin 1994, S. 461 f., Kat. VIII.27 (mit weiterer Literatur)