In seinen Lebenserinnerungen berichtet Trübner: »Im Sommer ergriff Schuch immer eine unwiderstehliche Sehnsucht zum Landschaftsmalen, und so beschlossen wir, eine Inspektionstour nach der Insel Rügen, durch den Harz und durch den bayerischen Wald zu unternehmen, um schließlich am Chiemsee auf der Herreninsel Halt zu machen« (W. Trübner, Personalien und Prinzipien, Berlin 1907, S. 23 f.). In jenem Sommer 1874 am Chiemsee entdeckte Trübner, der mit Figurenbildern und Stilleben begonnen hatte, für sich die malerischen Möglichkeiten der Landschaft. Fortan gehören schattige Baumgruppen, ruhige Parkanlagen und breit gelagerte, alte Gebäude zu seinen bevorzugten Motiven. Über die damalige Wirkung dieser heute sehr ansprechenden Bilder berichtete Lovis Corinth: »Er verzichtete auf alles, was dem Publikum, auch seinen Kollegen gefallen konnte. Seine Bilder zeichneten sich durch Tonschönheit und rein malerische Wirkung aus, auch ein ungeheurer Ernst sprach aus seinen Werken, was vorläufig den Beobachter zwang, sich ablehnend zu verhalten« (Kunst und Künstler, 11. Jg., 1913, S. 454).
Vorliegendes Werk mit dem großen, bekrönenden Gebäude in Untersicht, dem flächigen, aus gedämpften Grün- und Brauntönen aufgebauten Farbteppich des Wiesenhanges davor und dem silbrig leuchtenden Himmel über dem hochgelegenen Horizont gehört, wie die gesamte Folge der Herrenchiemsee-Bilder von 1874, zum Besten innerhalb des ungleichen Œuvres dieses Malers. Es handelt sich um das ehemalige Augustiner-Chorherrenstift (Altes Schloß). Ludwig II. von Bayern hatte 1873 die gesamte Insel erworben, um hier, ab 1878, das neue Schloß Herrenchiemsee zu errichten. | Angelika Wesenberg