Es handelt sich um den einzigen im graphischen Werk Riberas nachweisbaren Probedruck. Von den ebenfalls sehr selten vorkommenden späteren Exemplaren der Platte unterscheidet er sich durch die herausragende Druckqualität sowie die ihm unten beigefügte Widmung an den Prinzen Philibert Emanuel von Savoyen (1588–1624) und Vizekönig Siziliens. Jener war ein Neffe Philips III. von Spanien und als Mäzen der Literatur und Wissenschaft bekannt. Möglicherweise wollte Ribera mit seiner Radierung die Gunst dieses Mannes gewinnen. Die Widmung stammt von einer zeitlich vorausgehenden Graphik des Künstlers mit dem Martyrium des Hl. Bartholomäus (Brown 1970, Nr. 12) und ist bei den späteren Abzügen, vermutlich weil der Prinz inzwischen gestorben war, weggelassen. Wie Brown festgestellt hat, kam unser Probeexemplar so zustande, daß zunächst die Schriftleiste (mitsamt der Signatur) von der Bartholomäus-Platte unter Ausblendung der Martyriumsszene gedruckt wurde. Diese verband Ribera dann in einem zweiten Druckgang mit der neuen Hieronymus-Darstellung.
Der Maler betätigte sich nur wenige Jahre als Radierer und Stecher. Die 16 ihm heute mit Sicherheit zugeschriebenen Drucke entstanden im wesentlichen zwischen ca. 1620 und 1628. Trotz ihrer geringen Zahl spielt die Graphik für Riberas Gesamtschaffen eine große Rolle. Auch haben die Radierungen, die vielfach kopiert wurden, und unter den Künstlern des 17. Jahrhunderts hoch geschätzt waren, zur Verbreitung seines Ruhmes erheblich beigetragen. Der lesende Hl. Hieronymus ist von der Virtuosität der Technik her Riberas bestes Werk.
Text: Sigrid Achenbach in: Das Berliner Kupferstichkabinett. Ein Handbuch zur Sammlung, hg. von Alexander Dückers, 2. Auflage, Berlin 1994, S. 343, Kat. VI.46 (mit weiterer Literatur)
Entstehungsort stilistisch: Neapel