In der Rückschau auf die Romantik, auf die Motive und die ästhetische Haltung seines Jugendwerkes hat Moritz von Schwind zwischen 1857 und 1862 eine Serie von etwa vierzig kleinen Bildern gemalt, von ihm selbst ›Reisebilder‹ und ›Gelegenheitsgedichte‹ genannt. Sie variieren nicht nur die alten Themen noch einmal, wie hier das Motiv des Abschiedes, des Wanderns, der Sehnsucht nach der Ferne, Schwind hat mit diesem Zyklus auch seinen eigenen Lebensgang gleichsam neu bebildert und gedeutet.
»Abschied im Morgengrauen« (1859) bezieht sich auf seine Abreise aus der Heimatstadt Wien im Jahre 1827. Kurz zuvor hatte der dreiundzwanzigjährige Maler mit dem vieldeutigen Bild »Spaziergang vor dem Stadttor« (Privatbesitz, Wien) seine Trennung vom Freundeskreis, von Franz Schubert, dem Sänger Vogl und von Netty Hänig, mit der ihn eine eher unglückliche Beziehung verband, vorbereitet. Zeigte er sich auf jenem Bild grübelnd am Wegrand sitzend, von der promenierenden Menge isoliert, von einer Dame mit großem Hut fixiert, ist er auf dem nachträglichen Bild der alleinig Handelnde. Sein Abschied ist nun zu einem poetisch verallgemeinerten, abgeklärten Bild verdichtet. Die zeitlos gültige Wirkung dieses kleinen Werkes beruht auf dem schlüssig erfaßten Moment des Zurückblickens und Aufbrechens zugleich. | Angelika Wesenberg