Nach dem Schulabschluss in seiner Heimatstadt Lausanne zog Vallotton nach Paris und studierte dort von 1882 bis 1885 an der Académie Julian in den Ateliers von Jules Lefebvre und Gustave Boulanger. Um 1892 kam er in Kontakt mit den Künstlern der Nabis. Mit Édouard Vuillard verband ihn innerhalb dieser Gruppe eine enge Freundschaft. Beide Einflüsse sind in seinem frühen Werk offensichtlich. Porträts, Akte, Genres, Interieurs, Stillleben und Landschaften – Vallottons Œuvre ist ein besonders vielseitiges, in dem die Gattungen gleichberechtigt ohne Schwerpunktsetzung nebeneinanderstehen. Zahlreichen Themen widmete er sich phasenweise, so häuften sich ab 1904 Aktdarstellungen merklich. Für diese, aber auch für das Werk allgemein lassen sich rasche stilistische Wechsel konstatieren, ohne dass sich eine lineare Entwicklung ablesen ließe; Vallotton verfügte über ein breit gefächertes Repertoire, aus dem er je nach Neigung und Intention schöpfen konnte. Im vorliegenden Fall sind die Anleihen bei Jean-Auguste-Dominique Ingres offensichtlich – von dessen „Türkischem Bad“ (1862; Louvre, Paris) soll Vallotton sehr beeindruckt gewesen sein. Die Konzentration auf die Figur, die effektvolle Lichtführung und die strenge Klassizität hatten sich erstmals im „Selbstporträt“ von 1897 (Musée d’Orsay, Paris) gezeigt und sind im Bildnis der Gertrude Stein (1907; Baltimore Museum of Art) besonders ausgeprägt. | Katharina Wippermann