Das Holzschnittwerk Vallottons markiert aufgrund seiner momenthaften, teils häuslich intimen, teils skurrilen, teils städtisch-sozialen Thematik und der perspektivisch gewagten, hart ausgeschnittenen, elegant-dekorativen Konstruktion der Bildfläche einen Höhepunkt der graphischen Künste des 19. Jahrhunderts. Im vorliegenden Druck versucht der Künstler, eine durch die Straßen von Paris fegende Windböe fassbar zu machen. Dazu legt er große, linear eingewölkte weiße Flächen frei, die lawinenartig einbrechende Luft- und Staubwirbel assoziieren. Diese haben schon etliche Gegenstände eingehüllt und lösen gerade den Rückenkontur eines Mädchens auf, das sich an den Rock seiner Mutter klammert. Der Witz des Blattes kulminiert in der Gestalt eines kleinen, kräftig gebauten Hundes: Sie bleibt – wenn auch durch weiße Linien in schwarze „Scheiben“ zerlegt – in Gänze sichtbar und scheint so lakonisch wie schwerelos durch den entmaterialisierten Bildraum zu paddeln.
Text: Hein-Th. Schulze Altcappenberg in: Wir kommen auf den Hund. Werke aus fünf Jahrhunderten von Dürer bis Dieter Roth. Eine Sommerausstellung im Kupferstichkabinett, hg. von Hein-Th. Schulze Altcappenberg und Lydia Rosía Dorn, Berlin/Petersberg 2015, S. 64.