Im Jahre 1912 stieß Borchardt auf die Mauern eines umfangreichen Komplexes, der als Wohn- und Arbeitsort des Oberbildhauers Thutmosis identifiziert wurde. In den Werkstätten dieser großflächigen Anlage befanden sich, neben der berühmten Büste der Nofretete, zahlreiche Einzelteile für Statuen. Bei diesen Teilen handelte es sich meist um Körperteile, die aus verschiedensten Materialien hergestellt wurden und die miteinander kombiniert werden konnten. Die fertige Statue bestand somit aus einer Komposition einzelner Stücke, was den Fachterminus „Kompositstatue“ prägte. In der Werkstatt befanden sich zudem viele unfertige Reliefs, Büsten und Statuen. Es ist deshalb nicht immer eindeutig zu erkennen, ob es sich um Teile für Kompositstatuen oder um Bildhauermodelle handelt. Als Material für Bildhauermodelle eignete sich vor allem Gips oder Kalkstein, da diese einfach zu bearbeiten waren und in ausreichender Menge zur Verfügung standen. Von dem Stück (ÄM 21217) ist der gesamte Kopf weg gebrochen. Diese Büste aus porösem Kalkstein darf wohl als Bildhauermodell angesprochen werden, da fertige Körperteile von Kompositstatuen in der Regel aus Hartgestein bestanden. Deutlich sichtbar ist auch die vertikale Mittellinie, an der sich der Bildhauer orientieren konnte. Die Oberflächenstruktur der Büste ist im Halsbereich bereits deutlich herausgearbeitet worden. Rundplastische Büsten sind im Alten Ägypten eher selten belegt und treten vermehrt erst mit der Amarna-Zeit auf, wohingegen der Typus im Flachbild häufiger dargestellt wurde.
Nach: Rattmann, A., in: F. Seyfried (Hrsg.), Im Licht von Amarna. 100 Jahre Fund der Nofretete, Berlin 2012, S. 356 (Kat.-Nr. 133).
Angaben zur Herkunft:
Deutsche Orient-Gesellschaft (DOG), Auftraggeber
Borchardt, Ludwig (5.10.1863 - 12.8.1938), Grabungsleiter
Amenophis (Amenhotep) IV. / Echnaton
Datierung engl.: Amenhotep IV / Akhenaten
P 47.02 (Ägypten / Mittelägypten / Amarna / P 47 / P 47.01-03 (Anwesen))
Westseite des Hauses
Schenkung James Simon, 1920