1893 zog Curt Herrmann nach Berlin und schuf dort anfangs vor allem Interieurs und Stilleben in leuchtenden Rottönen, die beim bürgerlichen Publikum wegen ihres dekorativen Reizes große Resonanz fanden. Das kräftige »Herrmannrothe« (zit. nach: Curt Herrmann, Ausst.-Kat., Berlin 1989, S. 339) dieser Bilder wurde in den 1890er Jahren zu seinem Markenzeichen. Den Schülerinnen seiner in Berlin gegründeten Malschule für Damen legte er gleichzeitig das Stilleben als malerisches Thema nahe. Hier, so Curt Herrmann den Erinnerungen des Dichters Peter Hille zufolge, ließe sich der Einsatz der Farbe trainieren, die »eine Leuchtkraft bekommt, daß man ihr die Materie nicht mehr anmerkt«. Außerdem wäre die Einfachheit der Komposition in diesem Fach bestens zu studieren: »Je größer der Strauß, um so matter die Wirkung. Ein Obstladen macht sich lange so gut nicht in der Malerei als eine Frucht, ein Glas und ein Strahl für den Reflex. Es kommt weniger auf den Reichtum an als auf das Auskosten« (zit. nach: T. Föhl, C. Herrmann, Ostfildern-Ruit 1996, S. 50–51). Damit hatte Herrmann auch die Charakteristika seiner eigenen Stillebenbilder zusammengefaßt: ein harmonisch abgestimmtes Kolorit bei gleichzeitig reduziertem Bildaufbau. Um eine naturalistische Wiedergabe des Sichtbaren ging es Herrmann nicht. Vielmehr war ihm, wie in seinen kunsttheoretischen Schriften nachzulesen ist, am Herausarbeiten des der Welt immanenten Schönen und Harmonischen gelegen. »Ein stilvolles Bild«, schrieb er, »wird der Realität der Erscheinung in weit höherem Sinne gerecht, weil es ein nach lebendigen Naturgesetzen gebildetes Ganzes, also einen künstlerischen Naturextrakt gibt« (Der Kampf um den Stil, Berlin 1911, S. 63). | Regina Freyberger