Seit Anfang Juni 1891 weilte Gauguin erstmalig auf Tahiti. »Ich versuchte zu arbeiten, machte allerlei Notizen und Skizzen. Aber die Landschaft mit ihren starken reinen Farben blendete mich, machte mich blind. Ich war immer unentschieden, suchte und suchte … Und dabei war es so einfach zu malen, wie ich es sah, ohne viel Überlegung ein Rot neben ein Blau zu setzen! Vergoldete Gestalten in Bächen und am Strande entzückten mich, warum zögerte ich, diesen Sonnenjubel auf meine Leinwand zu bannen?« (Paul Gauguin 1893, in: Noa Noa, Berlin 1908, S. 20).
Paul Gauguin hatte auf der Suche nach einem Leben mit der Natur, nach ausdrucksstarken, archaischen Motiven ab 1886 häufig in der Bretagne gemalt. Dort waren Bilder entstanden, die reinfarbiger, auch dekorativer waren, als der Impressionismus sie kannte. Mit Émile Bernard, Paul Sérusier und anderen entwickelte er hier den synthetischen Symbolismus. 1891 führte ihn die Sehnsucht nach einem irdischen Paradies und die Hoffnung auf eine Erneuerung der westlichen Kunst durch die ›Primitiven‹ nach Tahiti. Modellierung und Perspektive verflächigten und vereinfachten sich, die Bildgegenstände wurden nun meist von kräftigen Linien umrissen. Gauguin fand dort jedoch kein Paradies, und er hatte auch mit den Bildern aus der Südsee wenig Erfolg; sein Einfluß auf die jüngeren Künstler aber war erheblich.
Das Gemälde »Tahitianische Fischerinnen« beruht wie die zitierte Stelle aus Noa Noa auf Erlebtem wie auf einer poetischen Fiktion; es ist in der Komposition europäischen Vorbildern verwandt. Die vordere Frau steht mit den Füßen im Wasser, die beiden anderen sitzen wie sinnend am Boden, zusammen befinden sie sich in einem offenen Halbkreis zum Betrachter hin. Sie alle umfängt ein reich moduliertes, warmes, rötliches Licht. | Angelika Wesenberg
Leihgabe der Ernst von Siemens Kunststiftung