Im Jahr 1603 stellte Hans von Aachen einen sorgfältig vorbereiteten Zyklus von kleinen Ölgemälden auf Pergament fertig, der siegreiche Schlachten des 1593 wieder aufgeflammten Türkenkrieges feierte und auf dessen Darstellungen Kaiser Rudolph II. persönlich Einfluß genommen hatte. Nur sieben der Bilder sind in Wien und Budapest erhalten, doch kennt man v. a. durch eine Werkstattkopie des Zyklus für Kurfürst Christian II. von Sachsen insgesamt 11 von ursprünglich wohl 12 Kompositionen. Bei dem Berliner Blatt handelt es sich um einen der z.T. ebenfalls erhaltenen Entwürfe.
Die Allegorie des Vordergrundes bezieht sich auf die hinten gezeigte Rückeroberung der Festung Raab (Györ) durch habsburgische Truppen im Jahr 1598, die vier Jahre zuvor von den Türken eingenommen worden war. Hungaria, gestützt auf die habsburgischen Impresen Säule und Adler, wird von Fortuna bekränzt, während sie den demütigend am Haarschopf gepackten Türken zwingt, ihr die Fesseln zu lösen. Man hat darauf hingewiesen, daß der relativ unbedeutende Sieg hier aus Gründen der Propaganda aufgebauscht wird und ihm mit der Erscheinung Junos am Himmel, die ihren Mantel abwehrend gegen Dianas Halbmond erhebt, sogar eine mythologische Dimension beigemessen wird.
Die Überklebungen deuten auf die Intensität, mit der der Künstler die Ausführung vorbereitete. Davon unbeeinträchtigt ist die Frische seiner charakteristischen Handschrift. Hans von Aachen ist neben Bartholomäus Spranger der hervorragendste Künstler im Prag Rudolphs II. Der Einfluß dieser Blütezeit des Manierismus macht sich im 17. Jahrhundert überall im Reich bemerkbar.
Text: Gero Seelig in: Das Berliner Kupferstichkabinett. Ein Handbuch zur Sammlung, hg. von Alexander Dückers, 2. Auflage, Berlin 1994, S. 140, Kat. III.69 (mit weiterer Literatur)