Die Figur des gelassen stehenden Knaben verkörpert am reinsten Peterichs künstlerische Reife und fasst die in seinem Schaffen um 1900 begonnene formale Läuterung zusammen. In der ruhigen Geste klingen Auffassungen des damals einflussreichen Bildhauers Adolf von Hildebrand an. Ein dekoratives Element der Jugendstilzeit findet sich in der teilweise ornamental strukturierten Oberfläche. Formal ist diese elegisch-schönlinige Jünglingsfigur von der italienischen Skulptur des Quattrocento beeinflusst, vor allem von den Gestalten Andrea del Verrocchios und Donatellos, die Peterich ab 1907 in Florenz studieren konnte, daneben aber auch von Michelangelos etwas später entstandenen „Sklaven“ (um 1513–1516; Louvre, Paris). Die besondere Qualität des Werkes bemerkten bereits Zeitgenossen. Bei den Vorverhandlungen um die Erwerbung für die Nationalgalerie wurde betont, dass Peterich im Gegensatz zu anderen damals aktiven Bildhauern hier kein Berufsmodell mit kräftiger, athletischer Muskulatur benutzt, sondern die kindlich-feine Körperbildung seines eigenen, achtjährigen Sohnes Eckart aufgegriffen habe (SMB-ZA, I/NG 465, Bl. 287 ff.). In der Literatur wechselt der Titel dieser Skulptur zwischen „Stehender Knabe“ und „Ruhender Knabe“ (vgl. Katalog der 20. Ausstellung der Berliner Secession, 1910, Nr. 331). Der in der jüngeren Literatur auftauchende Titel „Träumender Knabe“ (Georg Harders, Paul Peterich, Bad Schwartau 1988, S. 64, 66, 106) wirkt dagegen sentimental und literarisch und erscheint nicht angemessen, zumal sich Peterich der elementaren Daseinsschilderung im Geiste Hildebrands anschloss. | Bernhard Maaz