Kollwitz begann 1885 ein Zeichenstudium in München, wandte sich ab 1890 der Druckgrafik zu und zog 1891 nach Berlin. In der konservativ geprägten, von der Königlichen Akademie der Künste und dem kaiserlichen Geschmack bestimmten Kunstszene hatte sie Mühe, angenommen zu werden. 1901 trat sie der Berliner Secession bei und war fortan in deren Ausstellungen vertreten; wenige Jahre später lud man sie in den ebenfalls progressiven Deutschen Künstlerbund ein. Als sie 1910 begann, Skulpturen zu schaffen, hatte sie sich etabliert. Im September 1913 schrieb sie: „Ich arbeite die Liebesgruppe, wo das Mädchen dem Manne auf dem Schoß sitzt. […] Eigentlich muß ich mit meinem Können – selbst dem plastischen – mir mehr zutrauen“ (Käthe Kollwitz, Tagebuchblätter und Briefe, hrsg. v. Hans Kollwitz, Berlin 1948, S. 55). Der Originalgips wurde erstmalig im Frühjahr 1916 bei der Freien Secession in Berlin ausgestellt. In inniger Umarmung hält der Mann den Kopf seiner Geliebten und lehnt seine Schläfe an ihre Wange. Ihre Augen sind geschlossen, der Mund ist leicht geöffnet. Die Figuren verschmelzen so weit miteinander, dass die ungenau ausgeführten Gliedmaßen ineinander überzugehen scheinen. Das Liebespaar wirkt, als gebe es sich allein seiner eigenen Welt und dem eigenen Gefühl hin. | Emily Joyce Evans