Ebenso wie in anderen Stadtszenen (etwa „Der Belle-Alliance-Platz in Berlin“, B 129) entschied sich Kirchner 1914 oftmals für ungewöhnliche Aufsichten, in denen Architektur und Mensch in neue Relationen zueinander gesetzt sind. Seine „Rheinbrücke in Köln“ basiert auf Skizzen, die während seiner Reise zur „Deutschen Werkbund-Ausstellung“ im Mai und Juni desselben Jahres entstanden waren. Die stählerne Hohenzollernbrücke war zwischen 1907 und 1911 errichtet worden, ein Paradebeispiel moderner Ingenieurskunst, das im Gemälde bekrönt wird vom Symbol der deutschen Gotik: dem Kölner Dom. Dessen aufstrebende Architektur scheint mit den Brückenbögen zu verschmelzen. Im Vordergrund des Bildes hat der Künstler als farbigen Akzent eine Dame mit Sommerkleid und Sonnenschirm platziert, ein „zierliches Dämchen in Rosa“, wie Ludwig Justi 1931 schrieb (Ludwig Justi, Von Corinth bis Klee, Berlin 1931, S. 125). Auf einer separaten Trasse, rechts hinter den hohen Pfeilern, fährt eine Lokomotive über den breiten Fluss. 1920 hat Justi die „Rheinbrücke“ als erstes Gemälde Kirchners für die Nationalgalerie erworben. Während der Zeit des Nationalsozialismus konnte es vor Beschlagnahmung und Bombenangriffen bewahrt werden: Es ist eines der wenigen Werke Kirchners, das durchgängig in der Sammlung verblieb. | Aya Soika