Der Sozialdemokrat Otto Braun (1872–1955) war von 1920 bis 1932 mit zwei kurzen Unterbrechungen Ministerpräsident von Preußen. Aufgewachsen in einer Königsberger Arbeiterfamilie gehörte er dem linken SPD-Flügel an. Auch Brachert, der die markante Stahlbüste des Politikers geschaffen hat, zählte zu den Linken. 1919 war er an die Staatliche Kunstgewerbeschule Königsberg berufen worden. Ein Guss der Büste war vor 1931 im Berliner Kronprinzen-Palais zu sehen. Um diese Zeit kaufte auch das Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung ein Exemplar, das in der Preußischen Bau- und Finanzdirektion aufgestellt wurde. Womöglich waren beide identisch, was aufgrund der Seltenheit des Materials – es ist einer der ersten Stahlgüsse eines Porträts überhaupt – nicht unwahrscheinlich ist. Im September 1934 sollte der Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung das Werk zurückerhalten aufgrund eines „Runderlasses“, nach dem die „Ausschmückung der Dienstgebäude mit Bildern und Büsten einer Nachprüfung zu unterziehen und Abbildungen von Persönlichkeiten, die am Novemberumsturz 1918 beteiligt waren, zu entfernen“ und zu vernichten waren (Preußisches Besoldungsblatt, Ausgabe A, 12. Jg., Nr. 33, 25.8.1934, S. 277). Das sollte die Nationalgalerie übernehmen. Sie verwies jedoch auf die Schwierigkeiten, das harte Material zu zerstören, auf den künstlerischen Wert des Werkes und die „Staatsstellung“ des Künstlers, ohne zu erwähnen, dass Brachert bereits entlassen worden war (SMB-ZA, I/NG 861, Bl. 268 ff.). Die Büste kam offenbar auf diesen Vorschlag hin mit vergleichbaren Arbeiten ins Depot und wurde erst 1970 in Ost-Berlin inventarisiert. | Emily Joyce Evans
