In der Ausstellung der Berliner Secession 1912 erzielte Kolbe seinen größten Erfolg: Er zeigte die Statue, die sein bekanntestes Werk werden sollte: die „Tänzerin“. Traditionell wird die Figur auf 1912 datiert; sie war jedoch schon 1911 in Arbeit. Nachdem die geplante Erwerbung durch das Städelsche Kunstinstitut in Frankfurt am Main gescheitert war, wurde in der Sachverständigenkommission der Nationalgalerie ein Ankauf erwogen. Benötigt wurde dafür die Zustimmung des Kaiserhauses. Ludwig Justi, der Direktor des Museums, argumentierte: „Die hier neu vorgeschlagene Figur der Tänzerin ist wohl das reizendste Werk, das Kolbe bisher gemacht hat. Prinz August Wilhelm meinte, daß S. M. gegen ihre Erwerbung nichts haben könne“ (Brief vom 8.8.1912, SMB-ZA, I/NG 465). Der Ankauf konnte 1912 getätigt werden; dabei wurde festgelegt, dass die Figur ein Unikat bleiben müsse. Sie wurde zu einem ikonischen Kunstwerk der Nationalgalerie. Die „Tänzerin“ erscheint auf den ersten Blick symmetrisch aufgebaut. Doch alle Körperteile sind leicht aus der geometrischen Anlage heraus verschoben und erwecken so den Eindruck von Lebendigkeit. Die Kunstkritik bejubelte „diesen in sanften Rhythmen schwebenden Jungmädchenkörper“ (Paul Westheim, in: Frankfurter Zeitung, 27.4.1912, Zeitungsausschnitt im Archiv Georg Kolbe Museum, Berlin). Verschiedene Legenden wurden über das Modell für die Statue erzählt; am überzeugendsten ist, dass es sich um Charlotte Kaprolat, die spätere Gattin von Max Pechstein, handelte. | Ursel Berger