Nach seiner Ausbildung zum Porzellanmaler in der heimischen Porzellanmanufaktur im thüringischen Ohrdruf wurde Stichling durch finanzielle Unterstützung Herzogs Ernst von Sachsen-Coburg und Gotha ein Studium unter anderem in den Klassen von Albert Wolff, Fritz Schaper und Ernst Herter an der Hochschule für die bildenden Künste in Berlin ermöglicht. Von 1907 bis 1910 unterrichtete er selbst als Lehrer an der Kunstgewerbeschule in Hamburg und war sodann an der Kunstgewerbe- und Handwerkerschule in Berlin-Charlottenburg tätig. Neben kunstgewerblichen und bauplastischen Arbeiten entstanden zahlreiche Grabmalfiguren mit Jugendstilanleihen. So steht auch Stichlings „Kniendes Mädchen“ mit seiner betonten Schönlinigkeit der Form, der geglätteten Oberflächenstruktur und seiner salonhaften geistigen Haltung zwischen Jugendstil und offizieller Ausstellungskunst der Jahrhundertwende. Dabei hat der Bildhauer einesteils auf die archäologisch begründete Tradition der knienden Venus-Darstellungen zurückgegriffen, diese aber zugleich zugunsten einer freien Lösung hinter sich gelassen. Sein von der Nationalgalerie angekauftes, mit der Großen Goldmedaille auf der Großen Berliner Kunstausstellung ausgezeichnetes Werk „Junges Weib“ (1905) war 1928 im Eichtalpark in Hamburg-Wandsbek aufgestellt und gilt seit 2010 als verschollen. | Yvette Deseyve und Bernhard Maaz
