Den letzten Sommer seines Lebens verbrachte Édouard Manet, bereits von schwerer Krankheit gezeichnet, in dem Landhaus des Lustspieldichters Eugène Labiche in Rueil bei Paris. In seiner Motivwahl blieb er auf die allernächste Umgebung beschränkt, doch gerade hier gelangen wahrhaft große Bilder. Hugo von Tschudi, der Direktor der Nationalgalerie, beschrieb das »Landhaus in Rueil« in seinem Schenkungsantrag als ein »durch die abgeklärte Reife der Anschauung, die sichere Technik, die Schönheit der Malerei schon völlig klassisch wirkendes Bild« (SMB-ZA, I/NG 994, Journal-Nr. 1906/1247, Bl. 352).
Die sonnenbeschienene Wand des bildparallel wiedergegebenen Landhauses schließt die schmale Bildebene gegen den Hintergrund ab. Vom Dach des Hauses sehen wir wenig, vom Himmel nichts. Vor der hellgelben Hauswand mit den bläulich aufscheinenden Fensterläden gibt es Büsche, Rasen und Blumenrabatten. Der hellviolette Weg verbindet räumlich wie farblich Haus und Garten. Das Bild ist von dem Farbklang Gelb, Blau und Grün bestimmt, wohlkalkuliert kommt mit den Blüten im Vordergrund fleckenhaft Rot hinzu. Summiert wiederholt es sich in einem Wandstreifen.
Es ist diese durchdachte, strenge Komposition des so heiter und leicht wirkenden Bildes, die es ›klassisch‹ erscheinen läßt und die einen Vergleich mit der Kunst Japans provoziert. In japanischen Farbholzschnitten, den Ansichten des Berges Fuji von Hokusai aus den 1830er Jahren etwa, gibt es diese für die damalige Kunst ungewohnte Flächigkeit und unvermittelte Ausschnitthaftigkeit. Dort könnte Manet auch das Motiv eines zentral im Bild stehenden, jedoch nur mit seinem Stamm sichtbaren Baumes begegnet sein. Angeschnitten dargestellte Bäume wurden wenig später zu einem Hauptmotiv des Japonismus in der westeuropäischen Malerei. Wir begegnen ihnen etwa in Bildern Monets, bei van Gogh und Hodler. | Angelika Wesenberg