Nahezu bildfüllend hat der schlesische Künstler Merz seine Großeltern dargestellt. Die einfach gekleideten alten Leute stehen reglos und mit ernstem Blick nebeneinander im Eingangsbereich ihrer Wohnstube, die ein dunkler Eichenschrank dominiert. In gedeckten Farben ist mit großem Realismus alles, von den zerfurchten Gesichtszügen der Eheleute bis zur Struktur des Holzfußbodens, detailgenau erfasst. Studiert hatte Merz vermutlich Ende der 1920er-Jahre an der Breslauer Kunstakademie. Sein „Bildnis der Großeltern“ präsentierte er 1932 auf der Herbstausstellung des Künstlerbundes Schlesiens. Der Kritiker Franz Landsberger lobte es für seinen Detailreichtum: „getreu bis in jede Kleiderfalte“. Ähnlich wie bei Wilhelm Leibl zeige sich das „im deutschen Volkscharakter tief verwurzelte Geblüt, das die Dinge mit unbestechlicher Sachlichkeit und zugleich mit seelenvoller Versenkung in sich aufnimmt und vor dem Betrachter in gelassener Ruhe hinstellt“ (Franz Landsberger, [Bildende Kunst], in: Schlesische Monatshefte [1932], H. 10, S. 367 f). Der Breslauer Museumsverein erwarb das Gemälde aus der Ausstellung für das Schlesische Museum der bildenden Künste, in dem es fortan als Leihgabe hing. Nachdem es während des Krieges ausgelagert war, gelangte es 1954 als „Freundschaftsgeschenk“ der Volksrepublik Polen an die DDR in die Nationalgalerie (Ost). Merz hatte mit seinen Gemälden während der NS-Zeit eine gewisse Anerkennung erhalten: Er beteiligte sich an verschiedenen Ausstellungen und erhielt 1935 das Stipendium der Villa Massimo in Rom. Nach dem Krieg lebte er in Süddeutschland, wo er sich vor allem Landschaftsstudien widmete. | Maike Steinkamp