Die gekrönte und vollrund gearbeitete Heilige steht auf einem unregelmäßig geschnittenen polygonalen Sockel. Ihre Statur ist kompakt, fast untersetzt, doch zeichnet sich unter dem langen Gewand mit Gürtel ein biegsamer Körper ab, dessen Bewegung nach rechts durch das sich durchdrückende rechte Knie und die leicht ausgestellte linke Hüfte angedeutet wird und in der starken Wendung des Kopfes endet.
Ursprünglich hielt die Figur in der linken Hand wohl kein Schwert, wie die nachträglich zu diesem Zweck veränderte Armstellung vermuten lässt, sondern vielleicht einen Palmzweig als Zeichen ihres Martyriums. Was sich in der Rechten befunden hat, ist nicht klar, das Armstück mit erhobenem Radfragment, das die Heilige als Katharina ausweist, ist nicht original. Im 14. Jahrhundert hielt Katharina das Rad üblicherweise nicht ostentativ in die Höhe, sondern enger am Körper. Daher ist eine Identifizierung als Katharina nicht sicher und sogar eher zweifelhaft, da Palmzweig (auch Schwert), Krone und das unbedeckte Haupt als Zeichen der Jungfräulichkeit auch andere Märtyrerinnen ausweisen. Der angewinkelte linke Arm und die Krone zeigen aber, dass es sich keinesfalls um eine der in Köln besonders zahlreich entstandenen Jungfrauen aus dem Gefolge der Ursula handeln konnte, die in der Regel eng am Körper anliegende und vorn gefaltete Hände haben und zudem ungekrönt sind. Auffällig ist jedenfalls das insbesondere für Katharinenfiguren ungewöhnliche Fehlen eines Mantels, was den jugendlichen Charakter der Dargestellten unterstreicht. Im heutigen, von der Fassung befreiten Zustand ist die Figur von klaren Konturen und Linien geprägt, die – wie im Fall der am Boden umbrechenden Falten – hart und spröde wirken können. Das jugendliche Gesicht ist relativ breit, die Augen sind schlitzförmig, die Nase gelängt und der kleine Mund zu dem typischen Kölner Lächeln verzogen.
Die rückseitige Ausarbeitung und das mittlere Format sind Indizien dafür, dass die Heilige ursprünglich nicht in einem Schrein aufbewahrt wurde. Sie könnte frei auf einem Altar, in einer Nische im Kirchenraum oder auch in einer Klosterzelle gestanden haben. Allerdings ist die auffällige Drehung des Kopfes zur Seite bei einem bezugslosen Einzelbildwerk schwer vorstellbar. Eher scheint sich die Statuette einer ihr benachbarten Skulptur zugewandt und daher zu einer vielfigurigen Heiligengruppe gehört zu haben. Sonderbar ist auch der ganz unregelmäßige Verlauf des freilich im 19. Jahrhundert teilweise ergänzten Sockels, den man bei einer freien Aufstellung wohl vermieden hätte. Doch wie bei fast allen heute vereinzelten Figuren dieses Formats ist eine Funktionsbestimmung schwierig, zumal man mit der ursprünglichen Mobilität solcher Bildwerke rechnen muss. Die Heilige wurde im Spätmittelalter oder in der frühen Neuzeit wahrscheinlich mit Schmuck oder Textilien bekleidet, worauf die Bohrungen im Haar seitlich des Halses hinweisen; dies könnte auf eine veränderte Funktion deuten.
(Auszug aus: Tobias Kunz, Bildwerke nördlich der Alpen. 1050 bis 1380. Kritischer Bestandskatalog der Berliner Skulpturensammlung, Petersberg, Michael Imhof Verlag 2014)
Entstehungsort stilistisch: Köln