Die Ansicht vom Hamburger Jungfernstieg über die Binnenalster in Richtung der Lombardsbrücke ist mit schnellen, breiten Strichen gemalt, sodass der Bildträger partiell sichtbar bleibt. Schemenhaft sind die wartenden und vorbeieilenden Passanten vor den in zarten Farbabstufungen gleißenden und zugleich gräulichen Grund gesetzt. So vermittelt die Künstlerin schon durch die Malweise einen Eindruck des nass-windigen Wetters. In der Darstellung solcher Phänomene steht die „Droschkenhaltestelle“ offenbar jener nicht erhaltenen „Stoppelweide“ nahe, mit der Hasse 1902 bei der Berliner Secession debütiert hatte und deren Wiedergabe der Herbstluft von der Kritik gelobt worden war (Max Ludwig, Pick me up! Sezessionseindrücke, in: Die Welt am Montag, 23.6.1902). Doch zugleich zeigt das Bild formale Ähnlichkeiten zu den schwarz-weißen Druckgrafiken, für welche Hasse besonders in der DDR bekannt geworden ist: Die bildparallele Anordnung dunkler, flächiger Bildgegenstände, insbesondere der am Bordstein wie aufgefädelt stehenden Droschken, einerseits und die Gliederung der Bildfläche durch drei Horizontalen sowie den Wechsel von hohen und tiefen Senkrechten andererseits. Als Hasse 1960, nachdem sie erblindet war, sehnsüchtig schrieb, dass die Malerei es ihr ermöglicht habe, noch „nach 50 und mehr Jahren“ nachzuempfinden, was sie „in wenigen Minuten als Oelbild festgehalten“ habe (SMB-ZA, V/Slg. Künstler, Hasse, Sella), könnte auch dieses Bild gemeint gewesen sein. | Nuria Jetter