Kohlscheins Bildnis seines ehemaligen Lehrers an der Düsseldorfer Kunstakademie zeigt den damals 80-jährigen Eduard von Gebhardt (1838–1925) vor der Staffelei bei der Arbeit, im Malkittel, die Palette in der Hand, den Pinsel gezückt. Im Hintergrund sind die Schemen einer Kreuzigungsdarstellung zu erkennen, ein Hinweis auf Gebhardts Verdienst als einer der bedeutendsten Vertreter religiöser Malerei der späten Düsseldorfer Schule. Der Blick des Wiedergegebenen richtet sich kritisch, prüfend auf die Betrachter:innen, als wäre er das gerade zu porträtierende Modell. Gebhardts konsequentes Bemühen um eine psychologische Durchdringung der in seinen Bildern dargestellten Figuren, für die er zu Beginn seiner Karriere vielfach in die Kritik geraten war, ist in diesem forschenden Blick meisterlich eingefangen. Kohlschein schuf das Bildnis 1918 für die Nationalgalerie, in einer Malweise, die sich jener von Gebhardt beinahe anzugleichen scheint und nicht so frei ist wie in den beiden früher entstandenen Schlachtenbildern zu den napoleonischen Freiheitskriegen („Schlesische Landwehr bei Waterloo“, 1902, A III 572, und „Lützows Freischar vor dem Kampf“, 1904, A I 886) oder den zur selben Zeit an der Front des Ersten Weltkriegs gemalten eindrücklichen Darstellungen aus Polen. | Regina Freyberger