Nach einer vierjährigen Ausbildung bei dem einflußreichen Pariser Maler Jacques-Louis David kehrte Christian Gottlieb Schick 1802 nach Stuttgart zurück. Noch im gleichen Jahr begann er das Porträt der jungen Heinrike Dannecker, geborene Rapp (1773–1823), der Ehefrau seines verehrten Lehrers und Freundes Johann Heinrich Dannecker (1758–1841). Das am Schloßplatz gelegene Haus der Danneckers mit einer Abgußsammlung antiker Bildwerke, auch die ›Danneckerei‹ genannt, war in jener Zeit Treffpunkt der Kunstfreunde. Die Sitzhaltung der Heinrike Dannecker in dem Bildnis Schicks läßt sich über Skulpturenmotive Danneckers bis in die Antike zurückverfolgen. Der unbefangene, offene Blick der Dargestellten korrespondiert mit ihrer unkonventionellen Pose und zeugt von einem neuen weiblichen Selbstbewußtsein unter dem Einfluß der Französischen Revolution. Nicht zufällig weist der Farbklang ihrer Bekleidung in Rot, Weiß und Blau auf die Trikolore. Von dem dunklen Blau des Kleides heben sich die frischen Töne des Blumenstraußes aus Glockenblumen, Rose, Hahnenfuß und Klee ab. In Verbindung mit den Wildkräutern zu Füßen der Figur stellen sie einen symbolischen Verweis auf die ungezwungene Natürlichkeit der Porträtierten dar. »Ich erinnere mich«, schrieb der Maler an Dannecker, »wie ich mich mit der Hand plagte, die die Blumen hält, und wie ich in meiner Freude krumme Gesichter geschnitten, die Ihre Frau Gemahlin und mich selbst lachen machten, wenn mir das Malen gelang […]. Wie vergnügt war ich nicht als ich ihr Portrait mahlte« (zit. nach: A. Haakh, Beiträge aus Württemberg zur neueren deutschen Kunstgeschichte, Stuttgart 1863, S. 252).
Auf einer an antike Architekturfragmente erinnernden Steinbank sitzend, wächst die Figur der Heinrike Dannecker über die Horizontlinie frei hinaus, eingespannt in eine Umriß- und Binnenkontur voll Schönheit und Eleganz, die in der Biegung der Fußspitze ihren Ausklang findet. Die Landschaft im Hintergrund ist harmonisch, in weichen Übergängen bis in duftige Fernen gegeben. Der Blick geht über dunkelgrünes Strauchwerk in ein Flußtal hinab, hin zu ruhigen Bergzügen. Lebensvoll hat Schick die Individualität erfaßt und ins Allgemeingültige erhoben. Sein Streben, die klassische Norm als Ideal im Leben aufgehen zu lassen, erreicht in diesem Bildnis einen überzeugenden Höhepunkt. Eine unvollendete erste Fassung des Porträts, vom Künstler verworfen und beschnitten, befindet sich in der Staatsgalerie Stuttgart. | Birgit Verwiebe