Nach einem dreijährigen Studium an der Unterrichtsanstalt des Berliner Kunstgewerbemuseums kehrte Kühn 1914 in seine Heimatstadt Stettin zurück, in der er den Großteil seines Lebens verbrachte. Bereits ab 1912 hatte er regelmäßig beim Pommerschen Verein für Kunst und Kunstgewerbe ausgestellt und war zu einer beachtlichen Lokalgröße avanciert. So war er auf der Ausstellung des Vereins 1922 mit fast vierzig Werken äußerst prominent vertreten. Kühn trat auch als Illustrator hervor, sein Hauptinteresse aber galt der postimpressionistischen Landschaftsmalerei. Vor diesem Hintergrund überrascht das vorliegende Bild mit seinen nahezu surrealen Anklängen, finden sich hier doch thematisch wie stilistisch Anleihen bei den Frottagen Max Ernsts. Das Studium der Natur, die Reihung der verschiedenen Keimstadien und die vielfache Vergrößerung der zarten Pflanzentriebe lassen aber auch an die Fotografien Karl Blossfeldts denken, dessen Buch „Urformen der Kunst“ ebenfalls 1928 erschien. Möglicherweise war Kühns Tafel eine unmittelbare Reaktion darauf. Blossfeldt unterrichtete seit 1899 am Berliner Kunstgewerbemuseum das Fach „Modellieren nach lebenden Pflanzen“. Wenngleich sich ein Studium Kühns bei ihm nicht nachweisen lässt, ist es doch sehr wahrscheinlich, dass der Maler Kenntnis von Blossfeldts Lehrmethoden und -inhalten hatte. Anders als Blossfeldts Aufnahmen, die dieser als Inventar und reines Anschauungsmaterial verstand, ist die Bildsprache Kühns – neue Sprösslinge überschneiden die Skelettstruktur der verwelkten Blätter, der Bildhintergrund evoziert in seiner Farbigkeit einen Sonnenaufgang – durchaus allegorisch aufgeladen. | Katharina Wippermann