Der in Anklam aufgewachsene Otto Friedrich Bollnow, ein Schüler Martin Heideggers, veröffentlichte 1929 einen ebenso theoretisierenden wie faktenarmen Artikel über Lattner, von dem er einige Arbeiten erworben hatte – es blieb bis heute die ausführlichste Publikation über den Maler. Bollnow unterschied das noch kleine malerische Werk in zwei Perioden, zur ersten zählte er „ein erstes Selbstbildnis mit den Türmen Anklams im Hintergrund“ (Fritz Bollnow, K. A. Lattner, in: Heimatkalender für Stadt und Kreis Anklam, 24. Jg. [1929], S. 71). Das raumfüllende Porträt eines schmalgliedrigen Mannes mit hohem Hut vor der fernen Stadtansicht aber hat wenig mit den pathetischen Gestalten der Frühzeit (vgl. den „Fahnenträger“, A III 897) zu tun. Für die spielerischen Abwandlungen des Realen im Werk von Lattner hat Bollnow den Begriff der Groteske eingeführt. Bei diesem Werk sind die feingliedrigen Finger der rechten Hand mit den rot lackiert scheinenden Nägeln in Meditationshaltung aneinandergelegt; der Gesichtsausdruck wirkt versunken. Ein Pastell im Museum der Stadt Anklam zeigt eine Buddha-Statue in ähnlicher Haltung (Museum im Steintor, V 0514). Zum Grotesken des Bildes tragen der farbige Himmel und die beiden zeichenhaften Bäumchen bei: „Wirkt nicht der schlanke, kahle Baum zur Linken wie ein weiterer, wundersamer Finger dieser Hand?“ (Kyllikki Zacharias, Surreale Sachlichkeit, Ausst.-Kat., Berlin, 2016, S. 100). | Angelika Wesenberg