In der Zuschreibung des Blattes an den großen Augsburger Renaissancekünstler stimmen die Kenner überein. Es gehört neben Zeichnungen Dürers zu den frühesten Studien nach lebenden Tieren im Norden. Burgkmair wählte für die ungewohnte Aufgabe die denkbar sprödeste zeichnerische Technik, die Feder. Meisterhaft gelingt es ihm den zottigen Pelz des Tieres mit relativ wenigen am Kontur konzentrierten Strichen wiederzugeben. Obwohl keine geschlossenen Konturlinien vorhanden sind, ist auch die Massigkeit des großen Körpers überzeugend getroffen. Gleichzeitig scheint das hochaufgerichtete Tier in leichter aber besonders in den Gliedmaßen spürbarer Bewegung. Der Zeichner mußte offenbar sehr rasch arbeiten; dazu paßt das Festhalten gerade der Zeit dieses Ereignisses am oberen Rand. Die beriebene letzte Ziffer, die bisher verschieden gelesen wurde, kann ebensowenig eine drei wie eine sechs sein, die Lesung 1498 ist darum die einzig mögliche. Neben dem Bären, auf den sich das eigentliche Interesse richtet, wurde am rechten Rand auch der Kopf vermutlich des Bärenführers kurz notiert. Später intensivierte der Künstler mit grauer Tinte etliche Partien. Die Naturstudie wurde für so kostbar gehalten, daß das vergleichsweise große Blatt von weiterer Benutzung, die bei Skizzenblättern nicht selten ist, ungestört blieb. Für diese Wertschätzung sprechen auch eine Anzahl von Fällen der Anregung auf andere Künstler, die von unserer Zeichnung möglicherweise ausgingen. Sie sind 1973 von F. Anzelewsky zusammengetragen worden.
Text: Gero Seelig in: Das Berliner Kupferstichkabinett. Ein Handbuch zur Sammlung, hg. von Alexander Dückers, 2. Auflage, Berlin 1994, S. 125f., Kat. III.49 (mit weiterer Literatur)