Nach seiner Rückkehr aus Italien und der Schweiz widmete sich Karl Eduard Biermann mehrfach der Alpenlandschaft. In dieser Ansicht aus dem Berner Oberland ist der Blick vom Rosenlaui auf den Rosenlauigletscher, das Große und das Kleine Wellhorn und das Wetterhorn dargestellt. Schon Joseph Anton Koch (1824) und Ernst Ferdinand Oehme (1829, Nationalgalerie, Inv.-Nr. A II 443) hatten diese Gipfel gemalt, wenige Jahre später auch Johann Wilhelm Schirmer (1839, Museum Kunstpalast, Düsseldorf). Der Katalog der Berliner Akademieausstellung von 1832 hebt hervor, das Biermann’sche Bild sei »nach der Natur« gemalt: Es ist, ebenso wie die beiden anderen von Wagener erworbenen Bilder (Inv.-Nr. W.S. 17 und W.S. 18), eine Frucht der Reise des Künstlers durch die Alpen.
Indessen nutzte der Künstler, der das Wetterhorn-Motiv auch für Carl Gropius’ Diorama gemalt hatte, seine Erfahrungen als Theatermaler. Schon bei der Wahl des Formats waren sie wirksam. Die Pläne sind kulissenartig gestaffelt, die kontrastreiche Beleuchtung ist auf den höchsten Effekt zugespitzt. Der chaotische Vordergrund läßt die zerstörerischen Potenzen der Natur, die Wirkung der Stürme und der Wildwasser, erkennen. Nur die Ferne ist befriedet: »Durch das zertheilte Regengewölk«, heißt es im Katalog der Sammlung Wagener, »erglänzen im hellsten Sonnenscheine die Gipfel« (Verzeichniss der Gemälde-Sammlung des J. H. W. Wagener, Berlin 1861, S. 10, Kat.-Nr. 16). Die beiden Jägerfiguren verkörpern Mühsal und Besinnung. In solchen Kompositionen mußten Zeitgenossen eine Heilssymbolik wahrnehmen, auch wenn sie nicht eigens unterstrichen wurde. Wenn auch die kühle Farbigkeit und der glatte Farbauftrag an Caspar David Friedrich denken lassen – der in Berlin nicht unbekannt war –, so vertritt Biermann doch, mit seiner Entscheidung für das auch äußerlich Dramatische und für additive Motivfülle, eine andere Seite der Romantik. Im Vergleich mit dem zweiten großen Gebirgsmaler der älteren Generation, Joseph Anton Koch, erweist sich Biermanns Blick als bedeutend begrenzter und mehr auf den Gegenstand als auf den räumlichen Zusammenhang bezogen. | Claude Keisch