Zu den schönsten Werken des 15. Jahrhunderts im Berliner Kupferstichkabinett darf wohl die subtile Silberstiftzeichnung eines stehenden Liebespaares gerechnet werden. Die junge Frau und ihr Begleiter sind nach höfischer Mode der Zeit elegant gekleidet. Die innige Zuwendung der beiden wird durch den federgeschmückten Hut des Jünglings, den seine Gespielin als Zeichen ihrer Treue in Händen hält, unterstrichen. Eine verwandte Zeichnung desselben Meisters im Leipziger Kupferstichkabinett zeigt ein stehendes Paar in Rückenansicht und könnte mit dem Berliner Blatt einst zu einem Skizzenbuch gehört haben.
Es handelt sich um eine der wenigen authentischen Zeichnungen vom Hausbuchmeister, einem am Ende des 15. Jahrhunderts wohl in höfischen Kreisen verkehrenden Künstler, der nach seinen Illustrationen im sogenannten Hausbuch auf Schloß Wolfegg benannt wird. Der auch als Maler tätige Meister hinterließ darüber hinaus einen bedeutenden Komplex von 90 Kaltnadelstichen, die fast komplett einzig im Amsterdamer Kabinett erhalten sind. Mit diesen druckgraphischen Arbeiten, deren Linien anders als beim Kupfer-Stich weich und an den Rändern unscharf verlaufen, stimmt die Berliner Silberstiftzeichnung stilistisch eng überein.
Text: Holm Bevers in: Das Berliner Kupferstichkabinett. Ein Handbuch zur Sammlung, hg. von Alexander Dückers, 2. Auflage, Berlin 1994, S. 103, Kat. III.20 (mit weiterer Literatur)